Dienstag, 29. Januar 2013

Ehrlichkeit für Anfänger.

"Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll! Ich war doch früher immer total sicher. Ich habe mich mit jemandem getroffen und entweder, es hat mir so gut gefallen, dass ich ihn wiedersehen wollte oder ich habe ihn schon nach dem ersten Date auf irgendeine mehr oder weniger nette Weise abserviert. Und wenn jemand mit mir Schluss gemacht hat, dann habe ich gleich dreimal den Kontakt abgebrochen, ich bin doch nicht masochistisch.
Ich war immer gut im Selbstschutz. Ich habe sie nicht zu nahe an mich rangelassen, die Kerle, weil ich ganz genau weiß, dass sie uns Mädels irgendwann zum Heulen bringen. Und ich will kein heulendes Häufchen Elend sein. Kuck dir doch nur mal irgendeine Fernsehserie an. Weder Rory noch Blair und nicht mal Dr. Gretchen Haase werden irgendwann so richtig zum heulenden Häufchen Elend. Nein, die gehen shoppen oder verbrennen irgendwelche Liebesbriefe oder angeln sich einen Prinzen zur Ablenkung."

"Du kommst vom Thema ab, Kate."

"Ja, ja, verdammt. Ich komme ständig vom Thema ab, ich kann meine eigenen Gedanken nicht mehr kontrollieren, weil ständig er sich in meinen Kopf schleicht."

"Und jetzt? Willst du es ihm nicht doch sagen? Danach hast du wenigstens Klarheit."

"Darauf wollte ich ja eigentlich raus! Selbst, wenn er Gefühle für ich hätte, weiß ich nicht, ob ich mich trauen würde, sie ihm zu gestehen. Ich hab meine Dinge gerne bei mir, nicht mal Bücher verleihe ich gerne, das weißt du doch. Das heißt, dass ich auf mein Herz noch besser aufpasse. 
Doch wenn ich mit ihm zusammen wäre, dann könnte er mich verletzen, ganz leicht sogar, denn ich würde ihm alles geben, was ich habe, die ganze Nähe, die ganze Zuneigung - ich hätte keine Grenze zwischen uns.
Und davor habe ich fast noch mehr Angst, als davor, ihm meine Gefühle zu gestehen. Deswegen kann ich's nicht tun, bring ich die Worte nicht über die Lippen, verstehst du? Nicht mal wenn ich wollte, könnte ich. Meine Gefühle müssen doch mir gehören, oder nicht?"

Sie schwieg. Lange. Es war kein Schweigen der Zustimmung. Ich hielt es nicht mehr aus, die Stille.

"Es ist spät. Ich sollte nach Hause fahren."

Die Straßen waren eisig und glatt, das Fahren eine Partie Twister auf rohen Eiern - es schien mir eine Metapher für mein ganzes momentanes Leben.




1 Kommentare:

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