Sonntag, 8. Februar 2015

[Das Wort zum Sonntag] Besuch bei Peter Pan und den verlorenen Jungs.

Es ist Samstagnacht, 3.45 Uhr. Wir sitzen im Nachtbus und wir haben genau den richtigen Pegel, um tiefgründige Gespräche zu führen, obwohl wir uns überhaupt noch nicht so gut kennen. Ich lehne den Kopf an die schmierige Scheibe, weil er irgendwie zu schwer ist, um ihn zu halten und höre zu.
Ende Oktober hat er seine Masterarbeit abgegeben. Dann erstmal zum Chillen nach Thailand. Einen Job hat er auch jetzt noch nicht. Wenn er Kohle braucht, dann arbeitet er für ein paar Tage auf einem Ausflugsschiff, von Amsterdam nach Nürnberg und zurück. Bierproben mit amerikanischen Ladies. Er lacht. Die stehen auf mich, denken ich bin ein bayerischer Braumeister. Aber auf Dauer ist das nix, die alten Ladies sind ganz schön aufdringlich, wenn sie nen 25jährigen um sich haben. Deswegen wird es jetzt allmählich doch Zeit, sich für Traineestellen und Jobs zu bewerben. Selbst die schönste Pause hat irgendwann mal ein Ende. Ein schlechtes Gewissen wegen der Lebensführung, die andere als Lotterleben bezeichnen würden? Fehlanzeige.
Ich hab mir doch echt ne Pause verdient, sagt er und grinst, Oder nicht?

Eigentlich will mein Kopf protestieren. Pause? Stehenbleiben? Schwachsinn.
Es muss immer vorwärts gehen, so gehört sich's halt. Man muss sich doch selbst was bieten. Immer busy, immer beschäftigt. Überstunden zeugen von Kompetenz und Verantwortung, Sportkurse von Disziplin und selbstgekochte #HealthyMeals von Organisationstalent. Einfach abhängen, rumhängen und sich selber gehen lassen - sorry Honey, is nicht.
Aber mal im Ernst: Vorwärts ist keine Richtung sondern nur der Punkt bis zu dem uns der Ehrgeiz treibt und das Wissen, was von uns erwartet wird oder der Glauben, wie wir sein sollten. Und ich glaub, Vorwärts und die Karriereleiter hinauf ist eigentlich nicht unbedingt immer genau der Weg, den wir selbst auch eingeschlagen hätten. Stattdessen wären wir vielleicht lieber einfach mal ein bisschen länger stehen geblieben.

Sonnenaufgänge, statt Seminare.
Nike Frees und Kapuzenhoodies statt Hosenanzügen und Meetings.
Wodka Shots statt Wein, der atmen muss.
Vielleicht wären wir alle gern noch ein paar Tage, ein paar Wochen, ein paar Monate länger jung. Würden uns gerne verabschieden von der alten Zeit, die neue begrüßen. Eine Pause einlegen und mal durchatmen. Uns nur mit Dingen beschäftigen die wir lieben. Kant lesen oder einfach nur die Bild. Unnützes Wissen anhäufen. Mit Studenten über Pegida und die Ukraine-Krise diskutieren. Verschwinden in Musik.

Klingt doch eigentlich ganz gechillt, sich im Nimmerland noch ein bisschen vor der Zukunft zu verstecken und vor dem Stress, dem busy schedule, der Karriere und dem erwachsenen Leben abzuhauen.

Und was ist verwerflich daran?

  

12 Kommentare:

  1. Da kann ich dir nur recht geben :) Genieß es!

    Grüße,
    Mindbroken

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  2. Und dann kommt unweigerlich der Gedanke "Irgendwann gönn ich mir das auch mal..." Nur wann ist irgendwann? ;)

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    1. Eigentlich sollte man einfach mal machen - das sagt sich aber immer so leicht ;)

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  3. Ich find das os absolut gar nichts verwerflich, viele haben das nur verlernt. Einschließlich mir! Irgendwie bin ich gar nicht mehr in der Lage nichts zu tun ... einfach mal zu entspannen! Immer reg ich mich drüber auf, dass ich nie Zeit zum Ausspannen hab ... und wenn ich sie hab, dann kann ich nicht Nichts machen. Verrückt ist das! Denn es würde einem einfach mal gut tun auszusteigen. Das hat mit Stehenbleiben auch gar nichts zu tun! So tankt man eher Kraft für neues, beschäftigt sich mal wieder mit seinen Träumen, seinen Erlebnissen, seinem Ich! Wirklich ein sehr schöner Text der zum Nachdenken anregt!

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    1. Danke dir! :)
      Ich finde auch, Tempo wird überbewertet. Das mit dem nicht Nichts machen kommt mir nur allzu bekannt vor. Man sollte sich ein Beispiel an diversen Haustieren nehmen, denk ich mir manchmal (und hat Vanessa so treffend auf Kugelrum geschrieben), die manchen nur eine Sache auf einmal und wenn sie nichts tun, dann tun sie halt nichts :D

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  4. Und? Hast Du einen SATC Abend gemacht? ^_^

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    1. Hihi ja, mit Ferrero Küsschen und Prosecco aus der Dose :D

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  5. Bin gerade ein wenig "geflasht" - mag deinen Schreibstil sehr gerne. :)
    Sonst stimme ich dir zu - geniß es einfach!

    VANITY ✿ LUXE

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  6. Schön geschrieben liebe Kathi! Ich mag es, wenn das Leben vorwärts geht - aber ich mag die Pausen zwischendrin noch lieber. Nur: ohne vorwärts gehen, gibt es für mich auch keine Pause...

    Du hast einen tollen Schreibstil - es macht Spaß, deine Texte zu lesen!

    LG Summer

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